Internationale Strategie – Internationale Beziehungen der MHL
Internationalität ist sowohl eine historisch gewachsene Komponente der Musikhochschulen als auch ein sich in den letzten Jahren verstärkt formuliertes Bedürfnis nach strategischer Ausrichtung, Bündelung und Klärung der Vielzahl an internationalen Austauschprogrammen und Projekten. Quantität und Vernetzung haben stark zugenommen. Die inhaltliche Komponente wurde dabei jedoch häufig zu wenig in den Vordergrund gestellt bzw. bildete in zu geringem Maße den Ausgangspunkt für strategische Überlegungen.
Basierend auf der Entschließung der HRK vom 18.11.2008 bleibt vor allem festgehalten, dass es heutzutage nicht nur darum geht, junge Studierende für die Berufswelt zu qualifizieren. Vielmehr muss zugleich ein Bewusstsein einer Art von "Weltbürgertum" kultiviert werden. (Inwieweit neben dem unterschiedlich kontextualisierten Begriff "Weltbürgertum" der, ebenfalls von der HRK geforderte Aspekt der Transnationalität an den Kunsthochschulen umzusetzen ist, bleibt unsere Ansicht nach derzeit offen. Kulturelle Diversität ist keineswegs an Nationen gebunden, aber immer noch an ethnische Einzugsgebiete. Deswegen kann auch der parallele Begriff von Transkulturalität (Wolfgang Welsch) nur partiell greifen, weil das Vereinheitlichungspotential noch nicht genügend kritisch hinterfragt worden ist. Die Wahrnehmung und Differenzierung der Diversität ist derzeit noch primär geboten.).
Internationalität ist zugleich ein schillernder Begriff, der oft zu eindimensional wahrgenommen und verstanden wird. Ein vereinfachtes Abstellen auf einen quantitativ wie qualitativ hohen Ausländeranteil unter den Studierenden und Dozierenden oder einseitige Marketingaktionen im Ausland stecken den Begriff nur sehr ungenügend in seiner strategischen, hochschulpolitischen wie sozialen Dimension ab. Internationalität ist Lernen von anderen Menschen und anderen Kulturen; Offenheit und Perspektivenwechsel erwerben und praktizieren sowie das Erschließen neuer und unbekannter Horizonte. Der hohe Ausländeranteil an den deutschen Musikhochschulen ist sicherlich eine gute Voraussetzung für gegenseitige Lernen und Wertschätzen. Dies kann jedoch durch die zusätzliche Beschäftigung mit den kulturellen Bedingungen und Hintergründen dieser Kommilitonen noch besser gefördert und erweitert werden.
Internationalität ist ein relevanter Teilbegriff der Vielfalt, die unsere Welt, unsere Kulturen auszeichnet. In dieser Perspektive impliziert Internationalität sowohl eine politische als auch eine soziologische Komponente. Eine gelebte und reflektierte Internationalität führt schließlich zu einer Hochschule der Vielfalt und ist ein wichtiger Baustein einer offenen, kritikfähigen – und zentral – einer vielfältigen Gesellschaft. Zentrum aller strategischen Überlegungen muss deshalb dreierlei sein:
Internationalität führt aber zugleich unweigerlich zu einem Bündel von Begriffen wie Interkulturalität, Pluralität, Identität, Historizität, cross-over und Transkulturalität. Der gerade neu in die Diskussion eingeführte Begriff des Polykulturalismus impliziert hierbei gleichsam die Spitze des Eisbergs einer vielfältigen und komplexen Debatte. Hier gilt es, zunächst einmal, deutliche Abgrenzungen zu formulieren, um anschließend zu definieren, was eine Kunsthochschule überhaupt leisten kann. Sie kann sicherlich keine kulturellen Langzeitprozesse begleiten, noch wird sie in der Lage sein, individuelle Lebensläufe zu gestalten. Die Studienbedingungen und ein breites inhaltliches Angebot können dazu jedoch einen Beitrag leisten, der jungen Menschen neue Alternativen und Perspektiven aufzuzeigen.
Internationalität ist nicht zu verwechseln mit Aktionismus und dem Erstellen einer möglichst umfangreichen Liste von Kooperationsabkommen. Internationaler Austausch muss in den notwendigen Reflexionsräumen Gestalt annehmen und sich gerade im Musikstudium in einem Gleichgewicht abspielen, das auf der einen Seite Besonnenheit und Konzentration erlaubt und andererseits die notwendige Vielfalt an Eindrücken und Begegnungen aufweist. Diesem Aspekt ist besondere Sorgfalt zuzuwenden und verlangt eine Ausgewogenheit von langfristigen und kurzfristigen, Maßnahmen mit jeweils individuellem Zuschnitt.
Die MHL pflegt seit 1911 unser großes Kulturerbe. Dabei bietet sie die ideale Grundlage zur Erprobung neuer Pfade und visionärer Ideen, sei es im Bereich der Forschung oder in dem eine Musikhochschule prägenden Bereich der Musikpraxis und -vermittlung.
Die MHL ist zugleich ein wichtiger Bestandteil im Musikleben Schleswig-Holsteins und Deutschlands. Zum einen bereiten wir die zukünftigen Künstler, Musiklehrer, Pädagogen praxisbezogen und zeitgemäß auf ihren Berufsalltag vor. Zum anderen sind wir der größte Konzertveranstalter des Landes Schleswig-Holstein mit über 300 Konzerten im Jahr, von Sinfoniekonzert über Opernaufführung bis Popkonzert. Auch die Konzeption und Erprobung von neuen Konzertformen ist der MHL ein wichtiges Anliegen. Lübeck pulsiert; und wir – die Dozierenden, Studierenden und Mitarbeitenden der MHL – sind die Elementarteilchen aber auch die Katalysatoren dieses Kulturlebens, in Lübeck, in Deutschland, aber auch international (Auszug aus dem MHL-Leitbild).
Die MHL ist sich ihrer eigenen Stärken bewusst, die sie gerne den Partnern auf der ganzen Welt vermitteln möchte. Höchste künstlerische Ansprüche verbinden sich an der MHL mit einem immer wieder erfolgreichen Konzept der Vernetzung zwischen den verschiedenen Fachbereichen. Praxis, Theorie und Wissenschaft bilden in ihrem wechselseitigen Zusammenwirken die Grundlage der Ausbildung, sowohl in den künstlerischen als auch in den pädagogischen Studienrichtungen. Auf der anderen Seite freuen wir uns über die Bereicherung, die durch die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und ihren Institutionen ausgelöst wird.
Die internationale Ausrichtung der MHL ist bisher vor allem einseitig dadurch gegeben, dass bei uns relativ viele ausländische Musikerinnen und Musiker studieren, was bereits zu einem großen Reichtum an Eindrücken und Ideen führt. Gleichzeitig hat die Bedeutung der internationalen Kooperationen immens zugenommen, und alle nationalen Universitäten arbeiten inzwischen vor allem im Forschungsbereich mit ausländischen Hochschulen zusammen. Die Kunsthochschulen stehen hier noch am Anfang. Die Schwierigkeit besteht darin, dass beispielsweise Mathematik auf der ganzen Welt gleich ist. Es gibt keine chinesische, deutsche oder russische mathematische Wissenschaft. In der Kunst ist dies nicht so, und wir sollten die Augen nicht davor verschließen (Nach wie vor herrscht eine Dominanz der europäischen Musikkultur in dieser Welt, die eher als Ergebnis kolonialer und postkolonialer Prozesse zu beurteilen ist. Wir können diese Prozesse nicht mehr zurückdrehen, aber wir können andere Zeichen dagegensetzen. Die dafür dringend erforderliche inhaltliche Debatte muss auch auf einer politischen Ebene geführt werden.), sondern die in dieser Tatsache schlummernde Chance ergreifen.
Die zunehmend internationale Perspektive der MHL spielt auch in der Profilierung des angegliederten Brahms-Instituts eine wichtige Rolle. Zu dessen Strategie gehörte es in den letzten Jahren, die bedeutende Sammlung von internationalem Rang einer breiten Öffentlichkeit weltweit digital zur Verfügung zu stellen. Diese Politik des "open access", die bislang durch zusätzliche Landesmittel und die Hermann Reemtsma Stiftung (Hamburg) finanziert wurde, sollte als Voraussetzung einer verstärkt internationalen Wahrnehmung weiter verfolgt und konsequent zu Ende gebracht werden. Die verstärkte internationale Wahrnehmung sollte dabei weiter gefördert werden.
Daneben ist das Brahms-Institut an internationalen Netzwerken und strategischen Partnerschaften beteiligt. Die Zusammenarbeit konzentriert sich dabei auf Kooperationen bei Ausstellungen, Tagungen oder gemeinsamen Publikationen. Der internationale Austausch fokussiert sich vor allem auf den Aspekt der Forschung. Vor allem hinsichtlich "Interpretationsforschung" bzw. "artistic research" wären hier weitere Kooperationen wünschenswert. Fachveranstaltungen oder Sommerschulen vor Ort können zur weitere Profilschärfung beitragen. Ansätze dazu finden sich bereits in der Kooperation mit dem SHMF, wobei zu den Symposien ausländische Referenten geladen sind.
Im Blick auf den Studienbetrieb (Lehre) könnte das Brahms-Institut bei der internationalen Profilbildung der MHL somit in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Bei der Entwicklung von bilingualen, internationalen Studiengängen was das Institut sicher ein attraktiver Anziehungspunkt für ausländische Kooperationspartner im Studienbetrieb.
Wichtige und bereits praktizierte Grundsäule der Studierenden- und Dozierendenmobilität stellt die Nutzung der Erasmus+ - und DAAD-Programme dar. Mit einigen vom Präsidium als strategisch relevant betrachteten internationalen Hochschulen hat die MHL zusätzlich bilaterale Beziehungen aufgenommen.
Internationalität in der Ausbildung befähigt die Studierenden, sich in einer internationalisierten Welt besser zu bewegen, sei es durch eigene Mobilität oder aufgrund der sich zunehmend verändernden Bevölkerungsstruktur in Zeiten hoher Migration. Dazu muss die Infrastruktur und die Studienstruktur an der MHL folgende Punkte ermöglichen:
Sämtliche Maßnahmen und infrastrukturellen Einrichtungen beachten den Grundsatz, dass es sich um ein universitäres Studium handelt, das die Studierenden zu selbständigem Denken und Handeln befähigen soll.
Als Leitsätze im Sinne von Schlagworten können somit formuliert werden:
In Zukunft ist beispielsweise angedacht, vermehrt Fachleute aus anderen Kulturen als Gastdozierende im Sinne eines längerfristigen Lehraufenthalts (1-2 Semester) einzuladen. Denkbar wäre ein Modell, bei dem beispielsweise Spezialisten für indische Musik bei uns mit einem Lehrauftrag Seminare und praktische Veranstaltungen durchführt, aber zugleich im Sinne eines weiterbildenden Kontaktstudiums Grundkenntnisse der westlichen Musikkultur kennenlernt. Die Frage der jeweiligen Finanzierung müsste in jedem Einzelfall geklärt werden. Zudem haben wir an länderübergreifende Konzertprojekte (Lehre mit Praxisanteilen wie Orchester, Kammermusik etc.) gedacht, die Lehrende und Studierende zugleich mit einbeziehen sollen.
Es wird Aufgabe der MHL sein, in diesem Zusammenhang vermehrt über englischsprachige oder auch bilinguale Ausbildungsprogramme, vor allem im Master und Fortbildungsbereich nachzudenken. Internationale Kooperationsprojekte geschehen zwangsläufig in vielen Fällen in begrenztem Zeitraum, erfordern jedoch eine hohe Sprachkompetenz, um in kurzer Zeit künstlerisch relevante Ergebnisse zu erzielen.
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